Wellenwerk – über 100 Jahre Geschichte

Im Jahr 1892 erhielt Richard Lindner vom Wahrener Gemeinderat die Baugenehmigung für das schöne Fabrikgebäude mit zwei Türmchen in der heutigen Claußbruchstraße, damals noch Teil der Kirchbergstraße. Der umtriebige Unternehmer handelte mit edlen Pelzen und hatte seinen Verkaufsitz wie alle Fellhändler in der Innenstadt auf dem Brühl. Schon damals erregte die Architektur Aufsehen und in der Folgzeit nahm er mehrere Ausbauten vor. Richard Lindner wurde auch als Don Juan von Wahren bezeichnet, - ob es stimmt?

1935 gründeten Otto Baumberger, Ingenieur Gottweiß und Ingenieur Heß in Leipzig die Maschinenfabrik „Baumberger und Co.“, die sich zunächst auf Pelzverarbeitungsmaschinen spezialisierte. Bald erweiteten sie ihr Programm auf Stahlfedern. Ihre Auftragsangebote wurden zunächst ignoriert, bis die Fa. Pittler, um sie los zu werden, lediglich 24 abnorme Plattfedern bestellt, Lieferung bis zum nächsten Morgen. Unmöglich. Aber – am nächsten Morgen war der Auftrag erfüllt – und weitere Bestellungen ebneten den Weg für die Erweiterung. Als 1939 die Arbeitsräume nicht mehr ausreichten, suchte und fand man das frühere Werk „Lindner & Co“ in Wahren. Am 1. August 1940 konnte man dem Baupolizeiamt mitteilen, “… dass wir am 1. August 1940 mit unserer gesamten Fabrikation in unser eigenes Fabrikgrundstück, Leipzig N 26, Claußbruchstraße 5-7 umgezogen sind. Wir haben die neuesten Federnautomaten und die modernsten Spezialmaschinen... „.

Zeitweilig produzierten über 200 Arbeiter und Angestellte Fellbearbeitungsmaschinen und Tachometerwellen. Das 1972 verstaatlichte Unternehmen erhielt den Namen „VEB Tachometerwellen“ und produzierte nicht nur für die DDR, sondern auch für viele Ostblockstaaten. 1992 wurde das Unternehmen durch die Nachkommen der Firmengründer reprivatisiert. Die neuen Besitzer begannen mit großer Umsicht das unter Denkmalschutz stehende Fabrikgebäude schrittweise instand zu setzen und in der alten Erscheinungsform der Industriearchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts wieder entstehen zu lassen. Mit einer kleinen Belegschaft wurden biegsame Wellen und Tachometerwellen hergestellt. Nach der Einstellung der Produktion harrte das Gebäude einer neuen Nutzung.

Die über 100 jährige Tradition des Gebäudes als Produktionsstätte hochwertiger Güter spiegelt sich in der Architektur der Anlage wieder. Bei der liebevollen Rekonstruktion und behutsamer Umwandlung in Wohnraum bleibt die Anspielung auf die ehemalige Produktion erhalten.